Immer wieder stoße ich auf Artikel und Kommentare, die Knotenhalfter gefährlichen Ausrüstungsgegenstand darstellen. Die Skala der Furchtbarkeit reicht von "bedenklich" bis "Folterinstrument".
Hauptkritikpunkte am Knotenhalfter selbst sind in der Regel:
- Die dünnen Seile schneiden in die Haut des Pferdes
- Die dünnen Seile schneiden in den empfindlichen Nacken des Pferdes, quetschen Nerven und Schleimbeutel
- Die dünnen Seile laufen über Bereiche, in denen wichtige Nerven am Pferdekopf austreten und reizen die Nerven
Hauptkritikpunkte in der Anwendung lauten:
- Der Metallhaken des Seils schlägt gegen den Kiefer des Pferdes, wenn man am Seil wackelt
- Das rückartige Ziehen am Seil verletzt den empfindlichen Pferdekopf
- Das Knotenhalfter erlaubt es dem Pferd, sich im Genick zu verwerfen; Stellung im Genick ist damit nicht möglich
- Das Longieren mit dem Knotenhalfter verursacht dem Pferd Schmerzen
Das Knotenhalfter
Ok. Das sind eine ganze Menge Schwierigkeiten. Und ich will das auch gleich sagen: Diese Probleme können auftauchen, und ich habe sie in Teilen auch erlebt.Die Haut
Die Seilstärke - und Qualität variiert, manche Halfter, vor allem die aus rauerem Material, können scheuern. Scheuerstellen können auch auftreten, wenn das Halfter nicht richtig sitzt: Das passiert vor allem dann, wenn es zu tief auf dem Pferdekopf hängt und das Seil über statt hinter der Ganasche verläuft. Schaut also auf die Backen eures Pferdes und prüft, ob das Halfter dort am Fell reibt. Besonders bei Pferden mit empfindlicher Haut kann das passieren.
Der Nacken
Ich teste das Gewicht des Knotenhalfters im Nacken des Pferdes, indem ich (bei herabhängendem Seil beziehungsweise durchhängenden Zügeln) meine Finger zwischen Seil und Nacken schiebe. Das Halfter ruht nicht direkt auf dem Nacken, sondern etwas erhöht auf der Pferdemähne - ist die dicht, wird eine "einschneidende" Wirkung des Halfters schon mal gemindert. Sitzt das Halfter richtig, liegt sein Gewicht auch nicht nur auf dem Nacken, sondern auch auf dem Nasenrücken des Pferdes. Bei meinen Finger-Tests war ich eher überrascht, wie leicht das Halfter ist. Es lag locker auf dem Fell. Von Einschneiden keine Spur. In meinen zehn Jahren Erfahrung im Einsatz mit dem Knotenhalfter ist mir kein einziges Pferd untergekommen, dass wegen des Halfters im Nacken Probleme bekommen hätte. Ich sage nicht, dass das nicht passieren kann. Nur glaube ich, ist die Gefahr eher gering. Manche Horsemen legen das Halfter übrigens auch nicht direkt hinter den Ohren über den Nacken, sondern etwas weiter hinten.
Die Nerven
Die Passform des Knotenhalfters am Pferdekopf ähnelt anderen Kopfstücken - alle haben Backenstücke, und alle berühren den Pferdekopf. Doch wo das Knotenhalfter locker aufliegt, werden andere festgezurrt. Stellt sich mir jetzt die Frage, was unangenehmer für das Pferd ist: kurzer Druck, der wieder nachlässt, oder stumpfer Dauerdruck.
Die Anwendung
Mein Seil habe ich mit dem sogenannten Double Sheet Bend Knot ins Halfter geknotet. Foto: Nadja |
Es kann aber auch ein feines Instrument sein, um mit wenig Aufwand präzise Informationen an das Pferd weiterzuleiten. Ross Jacobs erklärt hier, dass man, um den gleichen Druck am Pferdekopf auszuüben, beim Knotenhalfter weniger Kraft aufwenden muss als beim Webhalfter. Das macht den Einsatz für uns Menschen deutlich effizienter, weil wir mit weniger Aufwand mehr erreichen.
Der Metallhaken
Zwei einfache Tricks halten den Metallhaken davon ab, gegen das Pferdekinn zu schlagen:
1. Benutze ein Seil, das keinen Metallhaken hat. Die gibt es entweder mit einer Öse oder einfach zum ins Halfter-Knoten. Ein solches (in 10mm-Stärke) benutze ich auch. Wenn ihr auf den Link zu Procavallo klickt, seht ihr, wie viele Möglichkeiten wir haben, unsere Seile zusammenzustellen.
2. Schlage dem Pferd das Seil nicht um die Ohren. Wenn ihr das Seil nicht heftig schwingt, dann schlägt es auch nicht gegen den Pferdekiefer.
Das Verwerfen im Genick
In einer Diskussion auf Facebook wurde dieses Argument vorgebracht. Ich finde es ist auch nicht von der Hand zu weisen. Um Stellung im Genick zu erarbeiten, ist ein Knotenhalfter nicht das ideale Instrument. Muss es aber auch nicht. Wenn ich Springen will, schnalle ich ja auch nicht den Dressursattel auf's Pferd. Ich halte es da ganz mit einer Teilnehmerin der Diskussion, die sinngemäß sagte: Wenn ich um die Schwäche eines Ausrüstungsgegenstandes weiß, dann kann ich gezielt gegensteuern. Und: Wenn ich trotz der Schwäche des Ausrüstungsgegenstandes mein Ziel erreiche, dann macht mich das nicht gerade zu einem schlechteren Pferdemenschen :)
Das Longieren
Wie oben beschrieben, ist das Knotenhalfter zum biomechanisch korrekten Longieren (also mit Stellung im Genick und Biegung im Pferdekörper) nicht das optimale Hilfsmittel. Vor allem, wenn ich mit kontinuierlichem Zug auf dem Seil (andere nennen es "Verbindung") arbeiten will, würde ich vom Knotenhalfter abraten. Der dauerhafte Zug am Kopf ist für das Pferd dann zu unangenehm, außerdem kann das Halfter wegen seines lockeren Sitzes auf verrutschen - das wollen wir nicht.
Wenn ich aber im Sinne des Horsemanships mein Pferd auf dem Kreisbogen auch am längeren Seil um mich herumgehen lasse und das Ganze am losen Seil geschieht, dann spricht nichts dagegen ein Knotenhalfter dafür einzusetzen. Ich kann übrigens auch am losen Seil in Stellung und Biegung arbeiten, dafür braucht man keinen "Zug".
Das Rucken am Seil
Manche Trainer rucken am Seil. In der Tat. Sie tun das zu Korrekturzwecken oder um dem Pferd das falsche Verhalten unangenehm zu machen. Rucken am Seil ist kein Selbstzweck und dient auch nicht zur Bestrafung des Pferdes. Für das Pferd ist das sicher nicht angenehm, das will ich auch nicht schönreden bzw. -schreiben. Gute Horsemen setzen das Rucken von daher sparsam und überlegt ein. Mit dem Ziel, künftig darauf verzichten zu können.
Der richtige Einsatz des Knotenhalfters
Die Arbeit am Seil bereitet das Pferd auf die Zügelführung vor. Foto: Verena |
Ziel bei der Arbeit mit dem Knotenhalfter ist, dass das Pferd am durchhängenden Seil agiert. Es folgt dem Gefühl, der Richtung, die der Mensch vorgibt. Es geht auf Fingerzeig beziehungsweise Handzeichen, und reagiert auf kleinste Bewegungen des Seils. Das Signal ist also nicht ein hartes Rucken, das den Kopf des Pferdes herumreißt. Das Signal ist das Annehmen des Seils und die Veränderung der Handposition.
Wenn der Slack das Rope verlässt (das heißt, wenn das Seil nicht mehr durchhängt, sondern sich strafft), bedeutet das bereits für das Pferd, sich in Bewegung zu setzen. Und zwar nicht erst, wenn es Zug auf das Halfter bekommt. Feine Reaktionen auf die Veränderung des Seils kann ich einem Pferd beibringen, indem ich gegenhalte, wenn es in den Druck geht, statt nachzugeben. Ich muss dafür weder am Seil reißen, noch das Seil schütteln. Simples Gegenhalten und Warten reicht völlig.
Das Knotenhalfter ist ein adäquater Ausrüstungsgegenstand, den ich gerne einsetze. Natürlich könnte ich auch mit einem Webhalfter arbeiten. Das empfinde ich aber als nachteilig.
Ich schreibe das hier auch nicht als Rechtfertigung, sondern als Gegenposition zu den Zeigefinger-Wacklern. Es ist nicht immer alles Schwarz-Weiß, auch wenn das uns das Leben deutlich leichter machen würde.
Sophie von Chevalie hat mal darüber geschrieben, dass nur, weil eine Reitweise von manchen falsch angewandt wird, das die Reitweise nicht per se schlecht macht.
Das Gleiche gilt für das Knotenhalfter. Und für die meisten anderen Ausrüstungsgegenstände und deren Einsatz:
Falsch sitzende Sättel quetschen die Schultern des Pferdes.
Falsch eingesetzte Trensen quetschen Zungen.
Falsch eingesetzte Kandaren brechen Kiefer.
Falsch eingesetzte Sporen reiben das Fell und stochern blutige Löcher.
Falsch eingesetzte Gerten machen Striemen und ein angespanntes Pferd.
Verdammen wir deswegen Sättel, Kandaren, Sporen oder Gerten?
Die Gefahr des Falsch-Anwendens ist immer gegeben. Es gibt allerdings Hilfsmittel, bei denen auch der richtige Einsatz meiner Meinung nach kontraproduktiv ist.
Ein richtig eingesetzter Sperrriemen verhindert, dass das Pferd sein Maul öffnen kann.
Ein richtig eingesetztes Martingal sorgt dafür, dass der Zug am Zügel das Gebiss auf die empfindliche Zunge drückt.
Eine richtige Anwendungsweise des Tom Thomb Bit gibt es nicht - egal, wie man die Zügel führt, fürs Pferd ist die Botschaft immer widersinnig und rätselhaft.
Bei der richtig eingesetzten Longierhilfe kriegt das Pferd bei jedem Schritt einen Ruck ins Maul.
Der richtig eingesetzte Halsverlägerer gibt dem Pferd immer Zug auf das Genick, egal wie es läuft.
Die Pferdeindustrie produziert jede Menge unsinniger Hilfsmittel, die im besten Falle unnütz, im schlimmsten schädlich sind. Das Knotenhalfter gehört nicht dazu.
Warwick Schiller und Buck Brannaman in der alltäglichen Arbeit mit dem Knotenhalfter:
Hier geht es gar nicht um den Einsatz des Halfters, sondern um Bodenarbeit mit einem Jungpferd. Dennoch sieht man schön, dass der Strick nahezu immer durchhängt.
So soll es nicht aussehen: Was passiert, wenn man ständig Druck auf das Halfter macht (gilt nicht nur für Knotenhalfter). Das Halfter hängt auch viel zu tief.
Warwick Schiller zeigt einige grundsätzliche Übungen vom Boden - immer am losen Seil
Buck Brannaman demonstriert die Zirkel-Übung mit Richtungswechseln
Buck Brannaman arbeitet mit einem schwierigen Jungpferd.
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